ÜBER IUPITER
Innerhalb des Forschungsvorhabens IUPITER soll mittels optimaler Ausnutzung verfügbarer Informationen über den aktuellen Systemzustand (Gebäude und Anlagentechnik) sowie über die Umgebung (Meteorologie) ein einfach zu implementierendes und für einen großen Bereich von Gebäudetypen einsetzbares Verfahren zur Reduzierung des Energieverbrauchs entwickelt werden. Hierzu werden aktuelle Verfahren zur Modellierung des energetischen Verhaltens von Gebäuden, die Bereitstellung verbesserter energiemeteorologischer Informationen sowie eine moderne Informations- und Kommunikationsumgebung zu einer universell einsetzbaren Wettervorhersagesteuerung miteinander kombiniert. Der operationelle Einsatz des vorgeschlagenen Verfahrens wird erprobt und sein Nutzen für eine Reduzierung des Energiebedarfs in Gebäuden quantifiziert.
Abbildung: Bausteine des IUPITER-Konzeptes
Beschreibung der Arbeitspakete
Unter diesem Punkt werden nachfolgend die Inhalte und Vorgehensweisen bezüglich der Arbeitspakete genauer erläutert.
AP 1 - Theorie inverser Modelle zur Verbrauchskontrolle und -vorhersage
Grundlagen
In Arbeitspaket 1 sollen die Grundlagen der gebäudespezifischen Verbrauchskontrolle und -vorhersage unter Nutzung inverser Modelle theoretisch betrachtet werden. Als inverse Modelle werden dabei Modelle bezeichnet, deren Parameter rein messwertbasiert identifiziert werden können. Bestandsdaten sind zur Kalibrierung dieser Modelle zwar prinzipiell nicht notwendig, sie können jedoch wertvolle Zusatzinformationen für die Bewertung der Modellparameter und -variablen liefern.
Ein Beispiel für inverse Modelle sind Regressionsmodelle für Energiesignaturen. Mit ihnen kann z.B. die Abhängigkeit des Heizenergiebedarfs von relevanten anderen Variablen (Außentemperatur, Strahlung, Nutzungszeiten, Raumtemperaturen, etc.) berechnet werden. Die Parameter des Modells werden anhand der Messdaten aus dem Gebäude bestimmt. Mit der
zahlenmäßigen Bestimmung der Modellparameter ist die „Energiesignatur" quantitativ bewertbar, wodurch die Grundlage für eine automatisierte Verarbeitung geschaffen wird.
Anhand eines Mindestsatzes an Bestandsdaten (Gebäudehülle, Anlagentechnik, Nutzung) sollen Regeln zur Fehlererkennung und zum Benchmarking aus den Verbrauchscharakteristiken abgeleitet werden. Methoden wie diese werden üblicherweise für Daten auf Monats- oder Wochenbasis verwendet.
AP 1.1 - Übersicht bisher angewandter wetterabhängiger Regelstrategien
In diesem Arbeitspaket sollen bisher angewandte wetterabhängige Regelstrategien herausgearbeitet werden. Im Zuge einer Grundlagenermittlung soll der Stand der Technik diesbezüglich übersichtlich dargestellt und geklärt werden, wo das Wetter eingreift, inwiefern die Wettereinflüsse im Regler behandelt werden, wie eine Vorhersage mit Hilfe inverser Modelle stattfindet und für welche Systeme wetterabhängige Regelstrategien sinnvoll bzw. notwendig sind. Zusätzlich sollen Vor- und Nachteile der jeweiligen Regelstrategien herausgestellt werden.
AP 1.2 - Dynamisches Verhalten von Gebäude- und Anlagensystemen
Innerhalb dieses Arbeitspaketes soll das dynamische Verhalten verschiedener Gebäude- und Anlagensysteme in Simulationsmodellen untersucht werden. Sowohl bauphysikalische Eigenschaften wie die thermisch relevante Bauschwere, als auch unterschiedlichste Anlagentechnik sollen betrachtet und Kombinationen dieser Systeme dargestellt werden. Anhand der Simulationsmodelle sollen Regelstrategien auf Basis idealer Prognosen untersucht werden und eine theoretische Grundlage für die nachfolgenden Untersuchungen erarbeitet werden.
Insbesondere soll eine Einordnung der Systemträgheit in Bezug auf die sich ändernden Wetterverhältnisse herausgearbeitet werden. Hohe Trägheiten der Systeme beispielsweise bei einer Bauteilaktivierung führen zu sehr langsamen Reaktionen und macht die Regelung schwierig. Umso wichtiger ist ein Vorausdenken im Sinne von Wetter- und Nutzungsprognosen.
AP 1.3 - Güte von Wetterprognosen am Beispiel der MeteoGroup
Im Rahmen des BEVOS-Projektes zeichnet MeteoViva neben den Raum- und Anlagenzuständen für die mit der Wettervorhersage-Steuerung (WVS) ausgestatteten Gebäude kontinuierlich das prognostizierte und das tatsächlich eingetretene Wetter für bundesweit verteilte Standorte auf.
Es werden die fünf Wetterelemente Lufttemperatur, Globalstrahlung, relative Luftfeuchtigkeit, Windrichtung und -geschwindigkeit protokolliert. Das Verfahren der MeteoViva-WVS aktualisiert alle 6h den Vorhersagezeitraum für die nächsten 72h und rechnet gegebenenfalls – je nach Wetterdynamik – mit den neuen Wetterdaten eine neue optimale Steuerstrategie für die HLK-Technik der mit WVS ausgestatteten Gebäude. Damit verfügt MeteoViva über eine sehr gute Datenbasis der für die Thermodynamik eines Gebäudes relevanten kontinuierlich gemessenen Wetterparameter. Durch die Aktualisierung der Wetterprognosedaten alle 6h geht jedoch bisher die Information der Vorhersagegüte für den Zeitraum 6h bis 72h verloren (alte werden durch neuere Vorhersagedaten überschrieben). Eine Vorhersagegüte ist also bisher nur bis 6h ermittelbar.
Um eine belastbare Aussage über die Güte der Vorhersagen bis 72h treffen zu können, soll das Datenmanagement der prognostizierten Wetterdaten so erweitert werden, dass eine statistische Auswertung durch Vergleich von Prognosezeiträumen von 6 bis 72h mit den für die identischen Zeiträume gemessenen tatsächlichen Werte möglich wird. Die Erweiterung ist zu Beginn der Laufzeit von AP 1.3 vorgesehen und Voraussetzung zur Bearbeitung des AP 1.4.
Die Qualität und Genauigkeit der Strahlungsvorhersage wird an der Universität Oldenburg untersucht, da bisherige Analysen gezeigt haben, dass die Qualität der Prognose deutlich von der Wetterlage abhängt. Es soll der Frage nach der Häufigkeit der Abweichung der tatsächlichen Strahlung von der Prognose nachgegangen und Störgrößen aufgedeckt werd
AP 1.4 - Auswirkung von fehlerhaften Wetterprognosen
Innerhalb des Arbeitspaketes soll versucht werden, sowohl das Verhalten der Gebäude- und Anlagensysteme bei Wetterbedingungen aus AP 1.3 darzustellen, die von den Prognosen abweichen, als auch das Verhalten der Steuerung nach Prognose der Wettersituation A bei Eintritt von Wettersituation B. Dies soll anhand mehrerer Gebäudetypen (z.B. leichte, mittelschwere, schwere Bauweise) per Simulation mit LACASA analysiert werden. Voraussetzung dazu sind die Ergebnisse von AP 1.3.
AP 1.5 - Auswahlkriterien für den Einsatz einer Wettervorhersage-Steuerung
Innerhalb des Arbeitspaketes sollen die Kriterien definiert werden, die zur Auswahl eines geeigneten Gebäude- und Anlagensystems führen sollen, um die Wettervorhersage mittels einer vorausschauenden Steuerung in den Gebäudebetrieb einfließen lassen zu können. Es werden hierbei Aussagen zu bauphysikalischen Eigenschaften des Gebäudes, zur anlagen-technischen Ausstattung (z.B. Kraft-Wärme-Kälte-Verbund), zur Gebäudeautomation und zu den benötigten Messstellen getroffen.
AP 2 - Methodik zur Betriebsoptimierung am realen Gebäudebestand
Grundlagen
Auf Grundlage der Erkenntnisse des Arbeitspaketes 1 werden in Arbeitspaket 2 Untersuchungen am realen Gebäudebestand durchgeführt.
AP 2.1 - Gebäudeauswahl und Bestandsaufnahme
Es sollen Bestandsgebäude ausgewählt werden, deren Daten die Grundlage zur Erstellung des Werkzeuges bilden sollen. Hierbei sollen die Kriterien zur Auswahl eines geeigneten Gebäude- und Anlagensystems berücksichtigt werden, die in AP 1.5 definiert werden.
Im Mittelpunkt stehen Nichtwohngebäude mit einem Mindestmaß an anlagentechnischer Ausstattung auf der Erzeugerseite (z.B. Kraft-Wärme-Kälte-Verbund). Die Anzahl der herangezogenen Gebäude ist abhängig von der Gesamtverfügbarkeit an Gebäuden mit bereits vorhandener Gebäudeautomation, so dass die Gebäudedaten auslesbar sind. Die Gebäudeautomation gilt als beste Datenquelle, da sich Betriebsdaten hier weitgehend ohne zusätzliche technische Infrastruktur erfassen lassen. Sie ist Gehirn und Nervensystem eines Gebäudes, das die Funktionen technischer Anlagen mit komplexen Regelstrategien steuert.
Der sichere Zugriff auf die Daten dieser Systeme in einem historischen Datenspeicher sollte jederzeit und uneingeschränkt für die Projektpartner möglich sein. Ist keine Gebäudeautomation vorhanden, muss gegebenenfalls eine zusätzliche, eigenständige Infrastruktur zur Datenerfassung (Energiemanagement- bzw. Energiecontrolling-Systeme) aufgebaut werden. MeteoViva hat für beide Fälle die technische Realisierung mehrfach praktiziert und dafür eine praktikable Lösung mit im Markt gängigen Bausteinen der MSR- (Mess-, Steuerungs- und Regelungs-) Branche entwickelt. Außerdem verfügt MeteoViva über Messdaten aus 3 großen (>13.000m²) und 4 kleinen (<1.000m²) Gebäuden über einen Messzeitraum von 6-18 Monaten.
Das Internetportal der MeteoViva-WVS stellt die Datenerfassung sicher. An dieser Stelle ist sorgfältig abzuwägen, welche mittel- und langfristige Perspektive das jeweilige Gebäude hat. Eventuell macht der Austausch einzelner Anlagen im Zuge der Optimierung auch die Installation einer Gebäudeautomation erforderlich, die dann wiederum für das Monitoring genutzt werden kann.
Im zweiten Schritt soll die Bestandsaufnahme des ausgewählten Gebäudebestandes erfolgen. Durch Gebäudebegehungen, Befragung des Betriebspersonals und Auswertung der vorhandenen Informationen soll der energetische Zustand der Gebäude sowie der anlagentechnischen Ausstattung erfasst und beurteilt werden.
Hauptaugenmerk soll dabei auf die messtechnisch relevanten Installationen gelegt werden, die zur Erfassung der Betriebsparameter und Messdaten notwendig sind:
• Welche Zähler sind installiert, welche wünschenswert?
• Welche Zeiträume müssen gemessen werden (Spot-Messung, Tagesgang, Wochengang, Jahresgang)?
• Welche Komponenten sind relevant und müssen einzeln betrachtet werden, welche können als Gruppe gesehen werden?
• Welche sonstigen Informationen (z.B. Betriebsabläufe) müssen erfasst werden?
• Welche Betriebs- und Wartungskosten können erfasst und zugeordnet werden?
Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme werden schriftlich festgehalten und durch Bilder ergänzt.
AP 2.2 - Bereitstellung von Wetter- und Betriebsmessdaten
Betriebsdaten des Gebäude-/Anlagensystems
Sollen Betriebsdaten konsequent kontrolliert und entsprechend darauf reagiert werden können, so müssen vorher Zielwerte und die dafür zu überprüfenden Parameter festgelegt und die entsprechende Messtechnik bzw. geeignete Schnittstellen in der Gebäudeleittechnik eingebaut werden (siehe dazu AP 4.1). Im Monitoring-Konzept sind alle Messstellen bzw. Datenpunkte festzulegen, die verwendet werden sollen. Gebäude, die umfassend mit Gebäudeautomation ausgestattet sind, verfügen bereits über viele der interessanten Datenpunkte, da diese für die Regelung des Gebäudes verwendet werden. Sie werden jedoch im Normalfall nicht gespeichert und nicht in einem exportfähigen Format für eine Datenübergabe zu weiteren Auswertungen vorgehalten.
Um eine umfassende Analyse des Gebäudebetriebs zu ermöglichen, müssen die Daten dauerhaft zur Verfügung stehen. Deshalb muss die Gebäudeautomation die Betriebsdaten in einen historischen Datenspeicher schreiben, auf die das Monitoring zugreifen kann, z.B. auf einem abgesetzten Bedienplatz des Gebäudeleitrechners oder in eine externe SQL- Datenbank, in der die Daten in vorgegebenem Format gespeichert werden. Die zu übergebenden Datenformate sind ebenfalls zu definieren.
Dabei ist insbesondere auf eine eindeutige und nachvollziehbare Benennung der Datenpunkte, auf das Intervall zwischen den Messzeitpunkten und auf die Benennung der physikalischen Einheiten zu achten. Die Wettervorhersage-Steuerung von MeteoViva beinhaltet als Standard-Funktion die Archivierung der im Gebäude gemessenen Zustände und der zuvor per Simulation prognostizierten Zustände. D.h. jeder Zustand steht sowohl als Prognose wie als tatsächlich eingetretener Wert zur Verfügung, so dass daraus Fehlfunktionen in der Anlagentechnik erkannt und das zugrundeliegende Rechenmodell kalibriert werden kann.
Wetterdaten
Ein wesentlicher Bestandteil des Gesamtprojekts ist die Kopplung von Wettervorhersagen mit Verbrauchsprognosen bzw. Effizienzprognosen. Die meteorologischen Messparameter sowie deren prognostizierten Werte sollen an Wetterstationen abgegriffen werden, die unterschiedlichen Quellen entstammen. Die bei MeteoViva verfügbaren Prognosen der MeteoGroup sollen mit Prognosen des Deutschen Wetterdienstes, des Wetterdienstleisters meteomedia und der Universität Oldenburg verglichen werden. Um möglichst standortspezifische Mess- bzw. Prognosewerte verwenden zu können, wird die nächstgelegene Wetterstation bestimmt.
Nach der Spezifizierung der zu betrachtenden Messparameter, des Datenumfangs und des Datenformats sollen die ausgewählten Wetterstationen auf ihre Datenqualität und -verfügbarkeit überprüft und gegebenenfalls die Auswahl der Stationen an die Anforderungen angepasst werden.
AP 2.3 - Betriebsdiagnose mittels OASE
Für die ausgewählten Praxis-Projekte wird zunächst eine Betriebsdiagnose auf Basis der vorhandenen Messdaten durchgeführt. Gegebenenfalls vorhandener Fehlbetrieb wird dabei herausgefiltert, einfache Optimierungen des Betriebs können bereits umgesetzt werden. Bei Neubauprojekten wird die Inbetriebnahme durch die Diagnose begleitet, um eine ordnungsgemäße Funktionalität des Gebäudes sicherzustellen. Zur Betriebsdiagnose werden die im Forschungsvorhaben OASE entwickelten Visualisierungsmethoden angewendet.
Über die Darstellungen in Carpet-Plots und Scatter-Plot-Matrizen wird der Ist-Zustand vor der Umsetzung wetterprognoseabhängiger Regelstrategien dokumentiert bzw. ein regelgerechter Betrieb sichergestellt, um sichere Erkenntnisse über die Einsparungen durch die Wetterprognose-Steuerung erhalten zu können. Durch die weitere Begleitung über die Projektlaufzeit werden Optimierungen des Betriebs kontrolliert und dokumentiert. Neben der Darstellung von Zeitreihen und Energiesignaturen sollen aus den Messdaten Parameter und Kenngrößen untersucht werden, die eine schnelle Modellbildung unterstützen.
AP 2.4 - Betriebsdiagnose, -optimierung und -prognose mit LACASA
Modellbildung beschreibt den Vorgang des Abbildens von Teilstücken der Realität, um
• sie besser verstehen (diagnostizieren) zu können und
• Aussagen über die Zukunft machen (prognostizieren) zu können.
Es geht also um das Erkennen, Beschreiben und Prognostizieren von Umwelt und Realität in Strukturen und Prozessen. Ein Modell im Sinne der Modellbildung ist ein abstraktes Abbild eines Systems, welches stellvertretend für das System untersucht wird.
Die Modellbildung abstrahiert mit dem Erstellen eines Modells von der Realität, weil diese in fast allen Fällen zu komplex ist, um sie genau abzubilden. Es ist aber auch nicht Sinn, die Realität komplett abzubilden, sondern die wesentlichen Einflussfaktoren zu identifizieren, die für den zu betrachtenden Prozess relevant sind – das gebildete Modell ist also nicht exakt, sondern es muss genau genug sein. Unter Berücksichtigung dynamischer Rahmenbedingungen wie Wind, Temperaturen, Strahlung sowie Betriebs- und Nutzungsbedingungen lassen sich mittels dynamischer Gebäude- und Anlagensimulationen bauphysikalische Maßnahmen, Energiebedarf und Komfort in Modellen abbilden, untersuchen und optimieren.
Da die Berechnungen dynamisch sind, d.h. Energiebilanzierungen in Stundenschritten oder kürzer erfolgen, können sie geschlossene Wirkungskreise realitätsnah abbilden. Mit Hilfe von entsprechender Software zur dynamischen Modellierung (LACASA) soll in diesem Arbeitspunkt das Verhalten von Gebäuden und Anlagen im zeitlichen Verlauf einschließlich unterschiedlicher Regelungsstrategien detailliert und präzise untersucht und optimiert werden, was bis hin zu konkreten Vorgaben für die späteren Betriebsweisen reicht (OASE). Ihre Entsprechung finden die in der Simulation entwickelten Gebäudefunktionen in der Mess-, Steuer- und Regelungstechnik (MSR) bzw. der Gebäudeautomation (GA). Diese sollen die als optimal identifizierten Betriebsweisen später umsetzen.
AP 3 - Strahlungsvorhersage zur Optimierung der Verbrauchsvorhersage
Grundlagen
Ein kritischer Punkt bei der Nutzung von meteorologischer Vorhersageinformation für eine effiziente Gebäudesteuerung liegt in der erreichbaren Genauigkeit vonderzeit operationell genutzten Solarstrahlungsprognosen. Eine Aufgabe des Projektes ist es daher, eine verbesserte Solarstrahlungsvorhersage und zusätzliche Informationen über die Zuverlässigkeit und Vorhersagegüte bereit zu stellen.
Diese Aufgabe soll in AP3 bearbeitet werden. Hierbei soll zum einen auf die von der Universität Oldenburg für energiespezifische Anwendungen weiter entwickelte Solarstrahlungsvorhersage des ECMWF (European Centre for Medium Range Weather Forecasts) für Vorhersagezeiträume bis zu drei Tagen aufgebaut werden. Zum anderen soll ein an der Universität Oldenburg entwickeltes Verfahren zur Kurzzeitvorhersage von wenigen Stunden auf der Basis von Satellitendaten weiterentwickelt und mit der numerischen Vorhersage über ein statistisches Post-Processing kombiniert werden.
AP 3.1 - Kombination von ECMWF - Vorhersagen und Kurzzeitvorhersagen auf Basis von Satellitendaten durch statistisches Post-Processing
Das an der Universität Oldenburg zur Verfügung stehende Vorhersageverfahren auf Basis von Satellitendaten und numerischen Vorhersagen des ECMWF soll über ein statistisches Post-Processing kombiniert werden, um eine optimale Strahlungsvorhersage für jeden Vorhersageschritt zu erreichen. Des Weiteren sollen durch das Post-Processing z.B. über die Verwendung von neuronalen Netzen oder Model Output Statistics (MOS) systematische Fehler der Vorhersagen ausgeglichen und für verschiedene Standorte optimal angepasste Vorhersagen erstellt werden.
Neben der Nutzung der Strahlungsvorhersage des ECMWF soll auch untersucht werden, inwieweit durch zusätzliche Parameter, z.B. detaillierte Wolkenparameter, die Vorhersagegenauigkeit erhöht werden kann. In der Endphase dieses Arbeitspakets soll die ursprüngliche satellitenbasierte Vorhersage mit der erweiterten Version, die in AP 3 entwickelt wird, ersetzt werden.
AP 3.2 - Erweiterung der satellitenbasierten Strahlungsvorhersage
Eine Verbesserung der bisher erreichten Vorhersagequalität ist für die Anwendung im Gebäudebereich insbesondere für die Morgenstunden nötig. Das Verfahren zur Kurzzeitvorhersage, das Satellitendaten im sichtbaren Spektralbereich nutzt, steht derzeit nur bei ausreichendem Tageslicht zur Verfügung. Daher soll eine Erweiterung dieses Verfahrens zur Nutzung von Infrarot-Kanälen des Wettersatelliten Meteosat erfolgen, um so unabhängig von der Tageszeit Wolkeninformationen zu bestimmen und die Bewegung der Wolkenfelder beschreiben und vorhersagen zu können. Dazu ist es insbesondere notwendig, das an der Universität Oldenburg verwendete Verfahren zur Strahlungsbestimmung an Infrarotkanäle anzupassen.
AP 3.3 - Wetterabhängige Unsicherheitsinformation/Vertrauensintervalle
Die Qualität der Vorhersage soll analysiert werden, um zusätzliche Informationen zur erwarteten Genauigkeit der Vorhersage in eine optimierte Steuerung der Gebäudetechnik integrieren zu können. Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass die Vorhersageunsicherheit deutlich von der Wetterlage abhängt. Ein bestehender Ansatz zur Berechnung von Vertrauensintervallen soll auf das neue Vorhersageprodukt übertragen werden.
AP 3.4 - Operationelle Bereitstellung der Strahlungsvorhersage
Zur Integration der optimierten Solarstrahlungsvorhersage in den operationellen Betrieb soll ein Prototyp entwickelt werden, mit dem die Strahlungsvorhersagen täglich operationell prozessiert werden können. Die Strahlungsvorhersagen werden während der letzten 12 Monate des Projekts für den ausgewählten Gebäudebestand täglich zur Verfügung gestellt. Während dieser Phase sollen auch abschließende Weiterentwicklungen im Rahmen der Arbeitspakete AP 2.2 und AP 4.4 integriert werden. Bei der Entwicklung des Prototyps kann auf bereits an der Universität Oldenburg bestehende Prozessketten zur täglichen Verarbeitung von Satellitendaten zurückgegriffen werden.
AP 3.5 - Beteiligung an der IEA SHC Task "Solar Resouce Assessment and Forecasting"
Die Arbeiten zur Solarstrahlungsvorhersage sollen in die neue, bereits vom ExCo anerkannte IEA Solar Heating and Cooling Task „Solar Resource Assessment and Forecasting“ integriert werden. Diese neue IEA Task umfasst folgende Forschungsfelder:
• "Resource Applications for High Penetration of Solar Technologies" (Subtask A),
• "Standardization and Integration Procedures for Data Bankability" (Subtask B),
• "Solar Irradiance Forecasting" (Subtask C) und
• “Advanced Resource Modeling” (Subtask D).
Subtask C soll dabei von der Universität Oldenburg geleitet werden. Der Bereich „Strahlungsvorhersage", in dem voraussichtlich drei Partner aus Deutschland, sechs weitere europäische Partner, zwei Partner aus den USA und ein Partner aus Kanada vertreten sein werden, stellt dabei einen Schwerpunkt der Task-Aktivitäten dar. Der wissenschaftliche Austausch der internationalen Experten mit unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten kann einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung von Strahlungsvorhersageverfahren für Anwendungen im Solarenergie- und Gebäudebereich leisten.
AP 4 - Werkzeug zur automatisierten Betriebsdiagnose und -optimierung
Grundlagen
In Arbeitspaket AP 4 soll ein prototypisches Werkzeug zur automatisierten Betriebsdiagnose, -visualisierung und -optimierung auf Basis von LACASA und OASE realisiert werden. Der Einsatz einer die Energieeffizienz steigernden und damit Energiekosten senkenden Technologie steht oder fällt mit den initialen und laufenden Kosten sowie der Nutzerfreundlichkeit. Das IUPITER-Projekt fokussiert zwei Zielgruppen: Gewerbeobjekte und Wohnungsbau.
Die Energiekosten von Gewerbeobjekten sind in der Regel in einer Größenordnung, dass initiale Kosten zum Einrichten einer Betriebsoptimierung mittels WVS schon heute mit einem „Return on Invest“ im Bereich von 6 bis 24 Monaten realisierbar sind (MeteoViva). Hingegen stellt der Wohnungsbau eine Herausforderung dar, die initialen und laufenden Kosten einer WVS so gering zu halten, dass ein Masseneinsatz in der Fläche machbar wird. Dazu ist der Ersatz von teuren Ingenieurdienstleistungen durch Automation in einfach zu bedienender Technik erforderlich.
AP 4.1 - Schnittstelle zur Gebäudeautomation und Zustandserfassung
Betriebsoptimierung setzt die Möglichkeit voraus, einerseits auf die Gebäudetechnik aktiv einwirken, andererseits Zustände aus selbiger wie des Raumklimas im Gebäudeinneren auslesen und aufzeichnen zu können. Um den gewaltigen Markt der Energieoptimierung in Bestandsimmobilien erschließen zu können, bedarf es einer universellen, preiswerten
Schnittstelle, die vergleichbar mit einem sog. „NTBA“ eines Telefonanschlusses oder einem DSL-Router eines Internetanschlusses in jedem Gebäude mit minimalem Aufwand nachzurüsten ist. Über diese Schnittstelle erfolgt die Datenkommunikation von Mess- und Steuerdaten zwischen dem Gebäude und einem externen Rechenzentrum. Die Schnittstelle muss sowohl für komplexere Gebäude mit einer GLT als auch für einfachere Gebäude mit diskreten, elektronischen Reglern geeignet sein.
MeteoViva setzt bisher als Koppelgerät Seriengeräte aus der kommerziellen Gebäudeautomation ein und visualisiert die Prozesse über ein eigenes Internetportal, das von einem beliebigen Internetrechner erreicht werden kann. Aus der praktischen Erfahrung diverser WVS-Projekte kristallisierte sich heraus, dass für größere Liegenschaften (>3.000 m²) dieses Konzept und der notwendige Parametrierungsaufwand ökonomisch vertretbar, aber für den Einsatz im Einzelhandel (Filialisten, Discounter) und im Wohnungsbau ungeeignet, da unrentabel sind.
Ziel dieses Arbeitspunktes ist es, gemeinsam mit den Koppelgerät-Lieferanten die Möglichkeiten einer Vereinfachung der Hardware und Automatisierung des „Software-Setups“ dahingehend herauszuarbeiten, dass ein kostengünstiger Masseneinsatz des Koppelgerätes möglich wird. Dies soll im Kontext der Arbeitspunkte AP 4.2 und AP 4.3 geschehen.
AP 4.2 - Automatisierte Modellerstellung und -parametrierung
Zentraler Baustein der Betriebsoptimierung mittels WVS ist ein Rechenmodell, welches die Realität so genau abbildet, dass man den Betrieb einer Gebäudekonditionierung vorausberechnen und mittels eines geeigneten Verfahrens den optimalen Betrieb vorausberechnen kann.
Es gibt zwei Möglichkeiten der Modellerstellung:
1. Manuelle Erstellung und Parametrierung mit Hilfe der Modellbibliothek von LACASA
2. Automatisierte Ermittlung der bauphysikalischen Parameter des Gebäudes via Parameteridentifikation aus Messdaten
zur Parametrierung eines universellen, fertig komponierten und in der Bibliothek hinterlegten LACASA-Modells
Version 1 ist bei größeren Objekten mit umfangreicher TGA-Ausstattung notwendig und ökonomisch vertretbar, nicht aber bei kleinen Objekten wie Bank- und Discounter-Filialen oder Wohnungsbau. In diesem Arbeitspunkt soll daher die Möglichkeit einer automatisierten Modellerstellung und Parameteridentifikation zur Ermittlung der Betriebscharakteristik geschaffen werden.
Hierzu soll ein Identifikationsverfahren entworfen und implementiert werden, das auf LACASA bzw. MATLAB-Simulink® aufsetzt. Das Verfahren soll aus Messreihen des real gefahrenen (konventionell geregelten) Betriebes über einen definierten Zeitraum die bauphysikalische Charakteristik des Gebäudes inkl. seiner Anlagentechnik „per Mausklick“ detektieren.
Mit den gefundenen Kennwerten für Wärmekapazität, Wärmeleitung etc. soll dann ein vorkonfektioniertes Standardmodell in LACASA so parametriert werden, dass die Simulation für das Messintervall im Nachhinein mit diesem Modell Raum- und Anlagenzustände liefert, die möglichst deckungsgleich mit den gemessenen Werten sind. Das so kalibrierte Modell soll dann direkt für die Betriebsoptimierung mit WVS einsetzbar sein, ohne dass „Hand angelegt“ werden muss. Mittelfristiges Ziel ist es, dass via Internetportal ein Privatkunde eigenständig „sein Gebäude“ ohne technisches Expertenwissen identifizieren kann und nach erfolgter Installation der Hardware (Koppelgerät, Sensorik etc.) vor Ort die Kalibrierung und Inbetriebnahme der WVS vollautomatisch abläuft. An konkreten Objekten, die mit OASE analysiert wurden, soll abschließend das Verfahren der Modellparametrierung praktisch getestet werden.
AP 4.3 - Skalierbare optimierte Benutzeroberfläche
In diesem Arbeitspaket sollen die beiden Tools LACASA und OASE miteinander verknüpft und somit eine leistungsfähige Applikation zur Analyse und Betriebsoptimierung geschaffen werden. Als Maßstab für eine hohe Gebäudequalität gelten vor allem zufriedene Nutzer. Rein technisch gibt es heute zahlreiche Möglichkeiten, um den individuellen Komfort bei hoher Energieeffizienz zu optimieren. Doch ein Zuviel an Technik kann den Nutzer überfordern – oder er fühlt sich durch vorprogrammierte Regelungen bevormundet.
Er sollte also in die wichtigsten, ihn betreffenden Funktionen der Gebäudetechnik eingreifen können, aber auch wissen, was er damit bewirkt. Ansonsten kann sein Verhalten leicht dem Energie- und Komfortkonzept entgegenlaufen.
Das richtige Verhalten ist für den Nutzer aber oft nicht erkennbar, wenn ihm die konzeptionellen Zusammenhänge nicht bekannt bzw. sichtbar gemacht werden. Daher ist es eine zwingende Notwendigkeit, das umgesetzte Energie- und Komfortkonzept verständlich darzustellen und so zu erläutern, dass es ohne technisches Expertenwissen erfasst und bedient werden kann.
Den wichtigsten Beitrag zur Sensibilisierung des Nutzers leistet eine optimierte Bedienoberfläche und Nutzerführung.
Vorbildliche Beispiele einer nutzerfreundlichen Bedieneroberfläche sind das iPhone oder das iPad von Apple. Hier hat man es verstanden, durch optisch ansprechende Farb- und Formgebung sowie intuitive Nutzerführung eine emotionale Begeisterung für Technik auszulösen. Der Verkaufserfolg spricht eindeutig für das Konzept. MeteoViva hat mit dem Internetportal seiner WVS ein technisch schlüssiges Grundgerüst geschaffen, das aber hinsichtlich Ergonomie und Laienverständlichkeit noch Verbesserungspotential birgt. In diesem Arbeitspunkt soll daher eine moderne Visualisierungs- und Bedienoberfläche mit den Grundelementen aus OASE aufgesattelt werden, die nicht nur für ein Internetportal via SmartPhone, sondern auch für eine Implementierung eines Hutschienenrechners im privaten Wohnhaus geeignet sein soll.
Das „Human Interface“ stellt die Kommunikationsschnittstelle zwischen Wettervorhersagesteuerung und Menschen dar, das ihn nur mit Größen konfrontieren soll / darf, die er versteht: statt eine komplizierte Zahleneingabe der Steigung und Parallelverschiebung einer Heizkennlinie abzuverlangen, soll sich der Nutzer qualitativer Begriffe wie „warm“, „wärmer“, „kühl“ oder „kälter“ bedienen, was durch eine adäquate Farbgebung (z.B. rot = warm, blau = kalt) visuell und emotional untermauert werden soll. Zusätzlich sollen – nach Bedarf – exakte Messwerte und Graphen abgerufen werden können, die auch technischen und wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werden.
Über eine solche Oberfläche werden Auswirkungen von Änderungen durch den Nutzer verständlich visualisiert aufbereitet und nachvollziehbar. Damit wird HLK-Technik „erlebbar“. Es ist beabsichtigt, Fachkompetenz aus Ergonomie-Wissenschaft, Grafik und Design (Fachhochschule Aachen u. a.) per Unterauftrag einzubinden und gemeinsam mit den Koppelgerät-Lieferanten eine Implementierung in Prototypen vorzunehmen. Im laufenden Betrieb von WVS-Projekten soll letztlich die Akzeptanz der Nutzeroberfläche in praxi getestet (siehe AP 4.4) und Verbesserungsvorschläge in die Software eingepflegt werden.
AP 4.4 - Praxistest der automatisierten Betriebsdiagnos und -optimierung
Die in den vorangegangenen Arbeitspunkten erstellten Werkzeuge sollen in mindestens 2 Praxisobjekten getestet werden. Das Paket soll innerhalb des zur Verfügung stehenden Gebäudebestandes eingesetzt werden. Ein Objekt soll ein Büroneubau sein, der ab 01.2011 realisiert und 2012 bezogen wird.
AP 5 - Öffentlichkeitsarbeit
Grundlagen
Die Dokumentation umfasst die Erstellung eines Internetportals und der Berichte.
AP 5.1 - Internetportal zur Veröffentlichung der Ergebnisse
Zur Veröffentlichung der Forschungsergebnisse wird in Arbeitspaket 5.1 ein Internetportal geschaffen. Dazu sollen Messergebnisse aus dem WVS-Internetportal auf die für die Öffentlichkeit frei zugänglichen Internetpräsenzen der drei Projektpartner aufbereitet und automatisch exportiert werden. Dies stellt die einfachste und kostengünstigste Möglichkeit zur Verbreitung des Wissensstandes dar. Außerdem sollen diverse Veröffentlichungen in Zeitschriften und andere Publikationen vorgenommen werden.
AP 5.2 - Berichterstellung
Jeweils zum Ende eines Projektjahres soll ein kurzer Zwischenbericht zum Statusseminar erstellt werden. Zum Abschluss eines Arbeitspakets sollen die Ergebnisse in Form einzelner Kapitel dokumentiert und zum Projektende zu einem Gesamtbericht zusammengefügt werden.